Sterneküche in München und dem Chiemgau – einfach lecker!

youDRESSED Editor

Die Isarmetropole München war mit dem Starkoch Eckart Witzigmann und dem Tantris 1974 praktisch die Wiege der deutschen Sterneküche. Und sie strahlt bis heute, auch und besonders bis ins Chiemgau. Viele Chefs haben im Tantris gelernt oder ihren ersten Stern geholt.

Allein München zählt heute 16 von 67 bayerischen Restaurants, die mindestens einen Michelin-Stern haben, darunter seit März 2022 auch neue Lokalitäten wie das Gabelspiel in Obergiesing. Der Stadtteil hat bis heute noch etwas vom einstigen Arbeiterviertel, wird aber immer schicker – und teurer, wie eigentlich alles in München. Vorher war in dem kleinen, feinen Restaurant nahe der youDRESSED-Redaktion mal ein Franzose, davor lange Zeit ein Edelitaliener, der es schaffte, die Grünwalder Schickeria nach Giesing zu locken, denn von dort in den Münchener Nobelvorort ist es nicht weit.

Das Restaurant Gabelspiel lockt mit experimenteller, französisch angehauchter regionaler Küche zu – für ein Sternelokal – noch bezahlbaren Preisen. Auch ohne Stern hatte das Lokal mit seinen nur 20 Plätzen im Innenraum vor Jahren auf ganzer Linie überzeugt. Der österreichische Küchenchef Florian Berger, der vorher unter anderem im Tantris seine Meriten (sic!) verdient hat und sich selbst gerne „Aromen-Jongleur“ nennt, versteht es laut Süddeutsche Zeitung tatsächlich, regionale Zutaten auf ungewohnte Weise zu kombinieren.

Die „Urküchen“ Tantris und Residenz Winkler

Das Tantris, dem Witzigmann in den 1970er Jahren deutschlandweit die ersten zwei und dann sogar drei Sterne beschert hat, darf sich nach einem Jahr Pause auch wieder mit zweien schmücken. Und es hatte immer schon Strahlkraft, weil viele Spitzenköche dort gelernt oder längere Zeit den Kochlöffel geschwungen haben. Der aus Traunstein am Chiemsee gebürtige Alfons Schuhbeck gehört dazu ebenfalls wie der im Oktober 2022 verstorbene Heinz Winkler, der als damals jüngster 3-Sternekoch 1983 den Ruf des Tantris verteidigen konnte und mit seiner Residenz Winkler in Aschau südwestlich vom Chiemsee 20 Jahre lang den Titel behalten hat. Es sei hier auf den ersten YOUdressed-Artikel über Sterneküche verwiesen, denn das alles zu wiederholen, würde den Rahmen sprengen. So viel nochmals: Ein Michelin-Stern bedeutet, dass das Restaurant einen Stopp wert ist, zwei, wie Winkler sie noch behauptet, dass das Lokal einen Umweg wert ist, und drei Sterne bedeuten, dass das Feinschmeckerlokal wie das Restaurant Überfahrt am Tegernsee von Christian Jürgens extra eine Reise wert ist.

Die Residenz Winkler in Aschau hat den dritten Stern verloren, weil das Restaurant den immer inkognito einfallenden Testern zu groß wurde, heißt es. Tatsächlich ist der „Winkler“, wie es liebevoll genannt wird, immer noch top, aber nicht mehr so gut, wie es mal war. Vielleicht fehlte da auch der Charme seiner ersten Frau Evi, die später als Empfangschefin zurückgekommen ist und heute dem Sohn  Alexander zur Seite steht und 2019 neben Witzigmann sowie zweiter und dritter Frau mit zu Heinz Winklers 70. Geburtstag mit anstieß, wie die Münchener Abendzeitung berichtete. Schwerer wog für Winkler aber vielleicht noch, dass sich 2012 sein Zwei-Sterne-Koch Johann Rappenglück und sein Restaurantchef Fabrice Kiefer mit dem Les Deux in München selbständig gemacht hatten.

 

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Vom Münchener Les Deux ins Chiemgauer Es:senz

Der Elsässer Kiefer hat 1997 vom Guide Michelin erstmals die Auszeichnung als „Maître des Jahres“ erhalten und 2018 den Service Award Deutschland. Er lebt Service und stellt immer wieder unter Beweis, wie wichtig der in Spitzenrestaurants ist.

Das Les Deux befindet sich in einem „voll verglasten, kühnen Keil“, nach dem Olympiaturm wohl „die markanteste Fassade, die ein Restaurant in München zu bieten hat“, wie die Süddeutsche Zeitung das dreispitzige zweistöckige Gebäude in der Münchener Altstadt ganz in der Nähe vom Bayerischen Hof nennt. Der hat übrigens mit dem superschicken Atelier unter dem neuen Küchenchef Anton Geschwendtner nach vier Monaten Pause auch wieder zwei Sterne, wie sie das Les Deux trotz aller Widrigkeiten auch in Coronazeiten behauptet hat.

Letzteres scheint, was die Köche angeht, nicht so richtig unter einem Glücksstern zu stehen. Denn 2018 ist Kiefer erst sein Kompagnon Rappenglück von der Fahne gegangen, um am Tegernsee sein Glück zu suchen, und 2020 der Nachfolger Edip Sigl. Dabei war es dem deutsch-türkischen ehemaligen Sous-Chef und neuem Küchenchef zu verdanken, dass das Les Deux in der vorletzten Runde die zwei Sterne verteidigen konnte. Doch der hatte sein Domizil längst im Chiemgau aufgeschlagen und auf der Suche nach einer näher gelegenen Arbeitsstelle im DasAchental in Grassau südlich vom Chiemsee angeklopft.

Das Vier-Sterne-Golf-Resort ist übrigens im Besitz der Gründer der Low-Budget-Hotelkette Motel One. Laut Dieter Müller und seiner Frau Ursula Schelle-Müller ist es ein wenig einträgliches, aber prestigeträchtiges Liebhaberobjekt. Wie Schelle-Müller sich in der Süddeutschen erinnert, war ein Gourmetrestaurant eigentlich nicht in ihrem Sinne, sie waren dann aber fasziniert, was sie durch Sigl alles erfuhren und dann doch Feuer und Flamme für das Es:senz (Es die Insignien das Sternekochs).

Feuer und Flamme ist im Herbst und Winter tatsächlich auch immer das Designwunder von einem zylinderartigen, gläsernen Kamin im DasAchental. So gut wie im Es:senz hat der sternemäßig schon etwas verwöhnte Autor kaum je gegessen.

Türkische Sterneküche macht Schule

Zum Markenzeichen von Sigl gehören die wirklich so aussehenden „Chiemseekiesel“ gefüllt mit einem köstlichen Kabeljau und später als Praliné mit letztem Gruß aus der Küche. Der zweite Besuch war wie der erste, als das Es:senz im September 2021 noch ohne Stern war. Dabei hat Sigl seine zwei Sterne vom Les Deux im neuen Jahr 2022 praktisch sofort wieder zurückgewonnen. Dem TV- Starkoch Ali Haydar Güngörmüş, der in den Fünf Höfen von Münchens Innenstadt das Pageou betreibt, war das Glück nicht beschieden, aber vielleicht wollte er es auch nicht. Denn immer auf höchstem Niveau zu kochen, kann auch schnell an die Substanz gehen. Abgesehen davon ist es Güngermüş‘ Wunsch und Anspruch, im Pageou den ganzen Zauber türkischer und orientalischer Küche herüberzubringen. Dazu gehören auch so leckere Gerichte wie das Zitronenhuhn seiner Mama oder das auf dem Boden gebackene Brot seiner Oma.

Aber die vertragen sich vielleicht nicht unbedingt mit den gehobenen Chichi-Ansprüchen der Sterneküche. Dabei war Güngermüş mit seinem Le Canard Nouveau in Hamburg 2006 wohl der erste türkische oder besser anatolische Sternekoch weltweit. Den Stern hat er nach einem Brand in dem Hamburger Restaurant aber an seinen Mitinhaber abgegeben, um nach München zurückzukehren und das Lokal seines Lehrmeisters Karl Ederer zu übernehmen, der neben Witzigmann einer der ersten Drei-Sterne-Köche war, die Deutschland zu bieten hatte.

Was Sigl und Güngörmüş vereint, ist die natürliche Freundlichkeit und Bescheidenheit. Im Pageou, benannt nach seiner ostanatolischen Heimatstadt, ist der Starkoch sich nicht zu schade, auch weniger elegant gekleideten Gästen aus dem Mantel zu helfen. Auch ohne Stern ist sein Restaurant gemäß der Michelin-Kriterien zumindest einen Abstecher wert. Vom Preis her ist man im Pageou auch gut dabei, aber es ist allemal günstiger als das Es:senz, wo man weit weg von München für ein 8-Gänge-Menü 220 Euro und für ein  6-Gänge-Menü etwa 170 Euro hinblättern muss, ohne Getränke. Die Preise für die Weinbegleitung liegen bei 125 respektive 175 Euro. Aber ohne diesen Service könnten viele Sternerestaurants kaum überleben oder müssten die Preise für die Speisen als Menü oder à la carte nochmal deutlich steigern. Das im 8-Gänge-Menü inkludierte Wagyu beziehungsweise Kobe-Rind gilt laut World of Food als das beste und zarteste Fleisch der Welt und zerging im Es:senz wirklich auf der Zunge.

 

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Alois – Dallmayr und das EssZimmer in der BMW-Welt

Sehr gut in Erinnerung geblieben sind auch die Feinschmeckertempel im Haupthaus der Kaffeemarke Dallmayr in der Münchener Innenstadt und in dem der Gastronomie- und Einzelhandelskette Käfer. Letzterer ist später in das EssZimmer in der spacigen BWM-Welt eingezogen, wo der Küchenchef Bobby Bräuer 2014 mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde – und das zurecht. Das Restaurant Alois – Dallmayr Fine Dining wiederum hatte Anfang 2000 schon auf ganzer Linie überzeugt, war nach der Renovierung im schlicht japanisch aussehenden Glanz wiederauferstanden und ist unter Küchenchef Christoph Kunz wohl immer noch einer der besten Gourmettempel, den die Isarmetropole München zu bieten hat. Etwas befremdlich und lustig zugleich war zu sehen, wie ein junger Amerikaner den Nachbartisch praktisch zu seiner Kommandozentrale machte und die edlen Speisen herunterschlang, als wäre er beim Fastfood-Restaurant in der New Yorker Bronx.

Noch ein neuer Stern über dem Chiemsee

Die meisten Sternerestaurants sehen natürlich so edel aus, wie ihr Ruf ist. Dass manchmal aber auch nur die gute Küche genügt, zeigt die des frischgebackenen Sternekochs Michael Leitenberg. Das erinnert daran, dass die besten Restaurants in China oder Taiwan oft keine rotgoldenen Glitzerpaläste sind, sondern so wie auch die in Griechenland etwa in schlichtem Babyblau gehalten sind. Bei Michael’s Leitenberg, so der Name des von ihm übernommenen Familienbetriebs in Frasdorf nahe Aschau, wo es mittlerweile schon zwei Sternelokale gibt, ist es natürlich nicht babyblau, sondern eher bayerisch-rustikal, aber immerhin mit Tischdecken und erlesenem Geschirr.

Die Anfahrt und die Suche nach dem Restaurant scheint etwas abenteuerlich, denn bevor man sich auf dem Parkplatz wiederfindet, möchte man fast meinen, man habe sich verfahren und sei auf einem Bauernhof gelandet. Das Restaurant selbst sieht rein äußerlich auf den ersten Blick so aus, als sei es eine zu Dorfkneipe mit Kegelbahn umfunktionierte Scheune.

Die sehr zuvorkommende, freundliche Bedienung und die etwas an experimentelle Molekularküche erinnernden, äußerst delikaten Speisen machen aber alles wett und das Michael’s Leitenberg zum echten Geheimtipp. Passend zu der urig-bayerischen Atmosphäre prangt an einem Pfeiler ein Schild mit den Worten: „Give a man a fish and he’ll eat for a day. Teach a man to fish and he’ll sit in a boat and drink beer all day.” Richtig endet das auf Konfuzius zurückgehende chinesische Sprichwort mit: “Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“

Der Veggie-Gourmettempel Tian

Ein sehr schönes Erlebnis war auch die Geburtstagsfeier mit einem Freund, der lange Vegetarier war, es heute aber nicht mehr ganz so streng sieht. Mit ihm ging es zu seinem 50. ins Tian, einem der wenigen vegetarischen Sternerestaurants ganz in der Nähe vom Münchener Viktualienmarkt, etwas südlich des neugotischen neuen Rathauses. Wie die Aussprache lautet, konnte der Patron nicht sagen, aber auf der Webseite ist zu lesen, dass der Name Tian kein Zufall ist, sondern an das chinesische Wort für Himmel erinnern soll. Auf Mandarin klingt das Himmelszeichen 天 wie Tiän in einer Silbe, im Französischen nennt man so aber auch Eintopf, passend scheint beides.

Die vegetarischen Gerichte dort haben auch so manche eingefleischten Fleischesser schon bekehrt oder zumindest entzückt. „Essen braucht keine besondere Sprache, Essen braucht eine Seele“, so lautet das Motto des österreichischen Küchenchefs Paul Ivić, der 2014 schon das Wiener Tian in den Sternehimmel gekocht hat. Und das schmeckt man auch im Münchener vegetarischen, schicken Gourmettempel. Ganz günstig ist dieser allerdings auch nicht, denn samt Trinkgeld war die Viererrunde letztlich 900 Euro los. Ja, Sterneküche ist eben ein teures Vergnügen und sicherlich nichts, was man sich täglich gönnen kann oder sollte.

Quelle Titelbild: Unsplash / Jay Wennington

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