27 Mrz Das Yanyou bringt ein gutes Stück China nach München
youDRESSED Editor
Meist bekommt man beim „Chinesen“ nur einen Einheitsbrei aus Süßsauer mit viel Sojabohnen und Bambussprossen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Und dazu gehört das Yanyou am Harras im Münchener Stadtteil Sendling. Das ist mit allen Aromen, Gerüchen und Geräuschen China pur, dàodì eben, wie die Chinesen sagen.
Chinareisende in den frühen 1980er Jahren konnten noch ein Lied davon singen, dass sie im Land der Mitte meist nur in behelfsmäßig eingerichtete Restaurants bewirtet wurden, um dort fern von Land und Leuten so etwas wie einen Hamburger auf Reis mit Gemüse vorgesetzt zu bekommen. Ging mal etwas schief bei der Organisation und musste man sich – „oh weh“ – unters Volk mischen, um echtes chinesisches Essen genießen zu dürfen, war dann geschmacklich meist Schluss mit Hamburger an Reis. Und bald hat man vielleicht auch die Erfahrung gemacht, dass Chinaprunk selten für gute chinesische Küche bürgt, weil solche Kitschtempel eher zu Hochzeitsbanketten einladen, wo es um Masse statt Klasse geht. Bei den Chinarestaurants in Deutschland, viele von denen gar nicht von Chinesen betrieben, überwiegt ebenso der Kitsch und maximal eine Ahnung von guter chinesischer Küche. Das mag daran liegen, dass wir Deutschen eine ganz bestimmte Vorstellung davon haben und auf der meist bebilderten Speisekarte gerne auf Ente oder Schweinefleisch süßsauer mit Sojabohnen und Bambussprossen tippen.
道地 dàodì bis ins Mark
Auch in München hatte man lange Zeit wenig Glück oder musste man betteln, doch mal etwas Authentischeres zu bekommen. Dafür stehen die chinesischen Zeichen 道地 (dàodì), wenn sie in anderem Kontext nicht für Tunnel oder Unterführung stehen. Das chinesische Wort für „authentisch“ oder „genuin“ fällt einem ein, wenn man sich am Harras in München Sendling in die lange Schlange einreiht, um einen der begehrten Plätze im Yanyou (oder Yan You) zu erhaschen. Denn die meisten der Gäste an den wenigen Tischen sind Chines:innen oder anderer Leute aus Fernost. Und innen ereilt einen dann auch gleich das aus China und Taiwan gewohnte Stimmgewirr mit überwiegend Mandarin-Chinesisch. Wer das nicht gewohnt ist, wird es vielleicht wie in der original italienischen Taverne in der Lombardei auch als laut empfinden. Aber Deutsche und andere Langnasen sind in Bierlaune an einem Tisch mindestens ebenso laut oder gar lauter. Sei es drum. Das Gewirr von überwiegend chinesischen, aber auch amerikanischen Stimmen passt zu dem Gesamteindruck eines rundum authentischen, eben dàodì chinesischen Restaurants.
Dabei bietet das Yanyou (eigentlich Yànyù oder deutsch Yen-ü ausgesprochen) auch Anklänge aus japanischer Küche, den Algensalat und die Udon Tempura genannte Nudelsuppe mit Garnelen zum Beispiel. Den chinesischen Namenszug 宴遇könnte man mit „vorzüglicher Behandlung auf einem Festbankett“ übersetzen, ein Bild, das vielleicht nur auf die von einer chinesischen Gesellschaft besetzten Tafel zutrifft. Ansonsten ist die Bewirtung allerdings eher typisch chinesisch etwas ruppig oder hart aber herzlich. Denn da wird einem am Tisch vor der Bar das Essen oder Getränk hier und da mal einfach über den Tresen gereicht. Anders geht es wohl nicht in dem wohl immer voll besetzen, kleinen Restaurant. So war es auch an dem „schlappen Donnerstag“, als man ohne Bestellung schon befürchten musste, keinen Platz für zwei Personen mehr zu ergattern. Ob die drei Fetzen Chinesisch es beschleunigt haben, wer weiß? Aber immerhin haben die Dame am Empfang und der der junge Kellner mit dem netten Chinazöpfchen auf Mandarin geantwortet, was eher die Ausnahme ist und ebenfalls für das Yanyou spricht.
Super leckeres Essen zu bezahlbaren Preisen
Die Speisekarte ist typisch für asiatische Restaurants bebildert, hebt sich aber dadurch hervor, dass sie mit Chinesisch, Englisch und Deutsch dreisprachig ist und die chinesischen Gäste somit dieselbe haben, wie die 老外 oder 外國人国 (lǎowài oder wàiguórén) genannten Ausländer. Und so wie in anderen asiatischen Restaurants in Deutschland sind neben den Gerichten jeweils Chilischoten zu sehen, die eine ungefähre Ahnung von der Schärfe vermitteln sollen, die einen da erwartet. Ausgerechnet beim eigenen Lieblingsessen, Mápó Dòufu, dem Rinderhack mit scharfem Tofu, war nur eine Chilischote zu sehen. Tatsächlich hielt sich die Schärfe des Gerichts aus der sonst so scharfen Sichuan-Küche in Grenzen, es war aber so lecker, wie man es von Taiwan und China gewohnt war. Der rotgebratene Schweinebauch war ein Geheimtipp und hat sich als solcher wirklich bewahrheitet.
Um nicht nur Fleisch zu essen, stachen unter den vegetarischen Gerichten die gebratenen Rapsblüten ins Auge, die tatsächlich an das aus Taiwan gewohnte Youcai („Ölgemüse“) erinnerten und ebenso gut mundeten, obwohl man sich an den Geschmack wie so vieles authentisch chinesische erst gewöhnen muss. Woran sich der Autor nie gewöhnt hat, war der stinkende Sojabohnenkäse, Chòu Dòfu genannt. Den gibt es im Yanyou auch, aber glücklicherweise ist der zweifelhafte Geruch an dem Abend nicht in die eigene empfindliche Nase vorgedrungen.
Was das Yanyou so anziehend macht, sind vielleicht auch die moderaten Preise. Aber das gehört auch zu diesem Daidi-Flair, das das Restaurant unweit vom Harras im Münchener Westen ausmacht. Und da findet sich mit dem „Istanbul Supermarkt“ auf der Albert-Roßhaupter-Straße gleich nebenan auch so manch anderes Authentisches, das eine bunte Vielfalt in München und besonders am Harras im Sendling ausmacht. Der nächste Besuch ist schon vorprogrammiert und das nicht nur wegen der am Yanyou vergessenen Lesebrille, aber dann nur mit Reservierung, wenn man telefonisch durchkommt.
Quelle Titelbild: Piyabay / Alice Cheung
Solche Dim Sum gibt es im Yanyou wie in vielen guten China-Restaurants übrigens auch.