Ein Beitrag im Youdressed Magazin: Sterneküchen neu bewertet

Sterneküche – speisen wie Gott in Frankreich

youDRESSED Editor

Der Guide Michelin hat im März 2022 wieder eine Reihe von neuen Sternen an Spitzenrestaurants in Deutschland verliehen. Dieser Beitrag zeigt, was sich dahinter verbirgt, was der Unterschied zu Mützen oder Hauben ist, wo man sich preislich bewegt und was man anziehen sollte.  

In den von dem gleichnamigen französischen Reifenhersteller jährlich veröffentlichten Restaurantführer Guide Michelin haben es im März 2022 insgesamt 327 deutsche Gourmettempel geschafft, in die Reihe der Sternerestaurants aufgenommen zu werden

Dazu gehören ein neues 3-Sternerestaurant, acht neue 2-Sternerestaurants und 31 neue Restaurants mit einem Stern. 3-Sternerestaurants gab es 2021 laut Statista weltweit nur 131, davon 30 allein in Frankreich, 22 in Japan, 14 in den USA und 13 in China.

Deutschland war da immerhin mit zehn dabei. Mit dem Schanz im rheinland-pfälzischen Weinörtchen Piesport als Neuzugang sind es 2022 allerdings nur noch 9, je zwei davon in Rheinland-Pfalz und im Schwarzwald sowie je eines in Berlin, Hamburg, Wolfsburg, im Saarland und am Tegernsee. Die meisten der 46 deutschen 2-Sternerestaurants befinden sich in Baden-Württemberg und Bayern.  

Die Ur- und Überväter Bocuse und Witzigmann 

Als Urvater der von Paul Bocuse bei Lyon begründeten französischen Nouvelle Cuisine (wörtlich neue Küche) in Deutschland gilt übrigens der österreichische Koch und Buchautor Eckart Witzigmann, der das Münchener Tantris Anfang der 1970er in den Sternehimmel gekocht hatte. Allerdings waren 1974, als er Deutschlands wohl immer noch berühmtesten Feinschmeckerlokal einen dritten hinzufügte, zwei Sterne noch das höchste Maß aller Dinge.

Der Gault-Millau hat Witzigmann, der unter anderem bei Paul Bocuse tätig war, 20 Jahre später zum Koch des Jahrhunderts gekürt. Und bei ihm haben, ob im Tantris oder in dem 1978 eröffneten Aubergine, 1979 das erste 3-Sternerestaurant Deutschlands, viele andere spätere Star- und Sterneköche gelernt oder in ihren Anfängen den Kochlöffel geschwungen.

Sterneküche heißt kochen und Service auf Höchstniveau

Sterneküche ist freilich Stress pur, und es gibt auch einige Köche, die ihren Stern oder ihre Sterne freiwillig abgegeben haben, weil sie sich dem nicht mehr auseinandersetzen wollen. Dazu gehört auch das finanzielle Risiko. Nicht wenige der Spitzenköche in Deutschland haben schon eine oder mehrere Insolvenzen hingelegt.

Das hohe Niveau zu halten und dabei trotz Preisen von meist weit über 100 Euro für ein Mehrgänge-Menü über die Runden zu kommen, geht eigentlich nur mit der in den Sternerestaurants in der Regel  an gebotenen Weinbegleitung.

Aber was heißt eigentlich 1 Stern, 2 Sterne, 3 Sterne? Warum unterscheidet man zwischen rotem und grünen Michelin, und was ist der Unterschied zu den in Österreich Hauben genannten Mützen nach dem Gault-Millau? Der „Rote Michelin“ heißt so, weil das damit herausgegebene Buch diese Farbe hat, der „Grüne Michelin“ gilt als touristischer Führer.

Ein Löffelchen hier, ein Löffelchen braucht Zeit

 

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Ein Stern geht laut world of food an eine Küche mit besonderer Finesse, die einen Stopp wert ist, zwei Sterne gehen an eine Spitzenküche, die einen Umweg wert ist, und drei Sterne an eine einzigartige Küche, die eine Reise wert ist. Darüber hinaus vergibt der Guide Michelin für Restaurants „mit sorgfältig zubereiteten und preiswerten Mahlzeiten“ auch den Bib Gourmand, benannt und bebildert mit dem Bibendum, dem Michelin-Männchen. Statt wie es auf einem Michelin-Werbeschild von 1898 hieß, jedes Hindernis zu schlucken, soll man in den Sternerestaurants freilich nur vornehm nippen am Wein.

Und statt schaufelweise aufzutun, bestehen die meisten der Speisefolgen in den mit Sternen, Mützen oder Hauben ausgezeichneten Spitzenrestaurant nur aus einem Hauch von exquisiten Essenzen und Leckereien, oft auf einem gebogenen Esslöffel serviert. Mit dem dazu gereichten selbst gebackenen Brot sollte man sich aber zurückhalten, um nicht vor dem Hauptgang schon die Segel streichen zu müssen.

Außerdem sollte man auch viel Zeit mitbringen. Über ein 5- bis 8-Gängemenü  mit vorab oder als Nachnachspeise gereichten Amuse-Bouches oder Amuse-Gueules (wörtlich „Freude des Maules“) als Gruß aus der Küche können gut vier bis fünf Stunden vergehen. Sterneküche ist daher und auch wegen der hohen Wartezeiten von bis zu mehreren Monaten für einen Tisch nicht etwas, was man sich täglich gönnen kann oder sollte.

Was anziehen, und was heißt Mütze oder Haube?

So manche Gäste, vor allem männliche, die später oft die Rechnung übernehmen und ob der hohen Preise nicht selten Schnappatmung bekommen, sehnen sich danach vielleicht erstmal nach einem Döner oder Wiener Schnitzel mit Pommes. Was die Kleidung angeht, sollte man bedenken, dass viele der Sternerestaurants eher in touristisch ländlichen Umgebungen sind und Abendkleid oder Edelzwirn gegen etwas gehoben Legeres austauschen. Schließlich will man auch nicht zu overdressed erscheinen, es sei denn, das ist gerade ihr oder sein Ding. Omas Gardine und Gummistiefel frisch von der Pirsch im Matsch sollten es aber auch nicht sein. Am besten ist man meist gekleidet, wenn man den Empfehlungen des Hauses folgt. Diese steht meist auf der Webseite oder in der Reservierungsbestätigung.

Neben den Michelin-Sternen gibt es als zweite internationale Auszeichnung noch die etwas feinkörnigeren Punkte, Mützen oder die in Österreich so genannten Hauben des anderen großen Restaurantführers Gault-Millau (auch Gault Millau oder Gault & Millau geschrieben). Damit können auch Restaurants, die noch keinen Stern haben, als Spitzenküchen in den Kochhimmel gelangen. Erhält ein Restaurant 0 bis 10 Punkte, gilt es allerdings als mangelhaft. 13 bis 14 Punkte und eine Mütze oder Haube gehen an eine gute Küche. 15 bis 16 Punkte stehen laut worlds of food für hohe Qualität und Kreativität sowie für zwei Mützen (in Österreich Hauben genannt).  17 bis 18 Punkte oder drei Mützen gelten der bestmöglichen Zubereitung und höchsten Kreativität; 18,5 bis 20 Punkte oder vier Mützen erhalten nur die weltbesten Küchen. 17-18 Punkte beziehungsweise drei Mützen bedeuten bestmögliche Zubereitung und höchste Kreativität. Das „non plus ultra“ (18,5-20 Punkte und vier Mützen) erhält ein Restaurant für eine „weltbeste“ Küche.

Die Welt der Sterneküche ist klein

Zu Witzigmanns bekanntesten Schülern gehören übrigens Heinz Winkler und Alfons Schuhbeck. Das Residenz Heinz Winkler in Aschau, das bekannteste Restaurant im Chiemgau, hat nach dem Restaurant Schwarzwaldstube unter dem Chefkoch Harald Wohlfahrt mit 20 zu 25 Jahrgängen die zweitmeiste Zeit drei Sterne gehalten. Der Aschauer Speisepalast musste später aber einen Stern abgeben, weil er angeblich zu groß war, womit Zweifel aufkamen, das Serviceniveau halten zu können.  Winkler hat aber seinerseits direkt oder indirekt dafür gesorgt, das Niveau in Deutschland anzuheben. Denn aus seiner Küche sind später weitere Star- und Sterneköche hervorgegangen.

 

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Mehr dazu erfahren Sie in einem Folgebeitrag über Sternerestaurants in München und dem Chiemgau. Der Autor dieses Artikels maßt sich nicht an, viel von Sterneküche zu wissen, konnte aber unter anderem in München, Taiwan, in Österreich und im Chiemgau beruflich und privat einige Erfahrungen sammeln. Und was besonders freut, sind die neuen zwei Sterne für das im Chiemgau gelegene Es:senz in Grassau, das ein halbes Jahr vorher noch ohne, damals auf ganzer Linie überzeugt hat.

Der deutsch-türkische Küchenchef Edip Sigl hat einst bei Winkler den Kochlöffel geschwungen und dem Les Deux in München geholfen, zwei Sterne zu behaupten, nachdem der Mitgründer Johann Rappenglück, ebenfalls von Winkler kommend, samt Kochschürze an den Tegernsee gezogen ist.  Die Welt der Sterneküche ist eben klein, jeder scheint jeden zu kennen.

Quelle Titelbild: Pexels / ELEVATE

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