Können sich Sylt bald nur noch die Superreichen leisten?

youDRESSED Editor

Urlaub in Deutschland liegt voll im Trend. Und eigentlich sollten alle davon profitieren, besonders auch die Sylter. Die können sich ihre Insel kaum noch leisten und sind meist aufs Festland gezogen. Aber auch viele Schöne und Reiche sind Ende April 2024 trotz schönen Wetter weggeblieben. YouDressed war da.

Nach der einen oder anderen Promi-Hochzeit hat Sylt zuletzt vor allem deshalb Schlagzeilen gemacht, weil ein Viertel bis ein Drittel der Ferienwohnungen dort zweckentfremdet und somit illegal sein sollen. Viele Inselbewohner sehen sich durch sogenannte „Eigenheimnutzung“ verdrängt und ziehen aufs Festland, um Tag für Tag als Servicekräfte wieder den Shuttle-Zug zu besteigen. Aber auch sonst ist die Nordseeinsel so teurer geworden, dass Der Nordschleswiger zu Weihnachten 2022 auch wegen der Energiekrise schon die Frage in stellte, ob sich Sylt bald nur noch die Superreichen leisten können.

Wegen eines runden Geburtstags ging es einer alten Familientradition folgend, in der letzten Aprilwoche 2024 auf Einladung erstmals seit Jahren wieder für eine Woche auf die Insel der Schönen und Reichen, genauer in das Nobelparadies Kampen. In dem Reethaus-Paradies liegen die Quadratmeterpreise mit 19.150 Euro für eine Wohnung und 27.588 Euro laut Stern am höchsten und sind sie fast doppelt so hoch wie die in München-Schwabing, dem zweitteuersten Pflaster in der Übersicht.

Nur der Shuttle-Zug ist günstiger geworden

Entsprechend sind in Kampen, aber nicht nur da, die Preise für Ferienwohnungen und -häuser gestiegen, nämlich um mindestens einen Euro pro Quadratmeter und Tag. Das Einzige, was günstiger geworden ist, sind die Shuttle-Züge von Niebüll auf dem Festland nach Westerland. Denn statt zuletzt etwa 100 Euro pro Überfahrt mit dem Auto, bezahlt man dank Konkurrenz einer blauen Linie (RDC aus den USA) mit der Deutschen Bahn jetzt für die Hin- und Rückreise pauschal nur noch 119 Euro.

Die Bahn wirbt sogar mit Supersparpreisen von knapp 20 Euro. Dennoch waren die Shuttle-Züge der roten und blauen Linie bei der Anreise am 18. April alles andere als voll. Und das, obwohl das Sylt-Wetter sich wieder von strahlenden Seite zeigte, wo überall sonst die Welt unterzugehen schien und bei München wegen Blitzeises und einer Massenkarambolage am nächsten Tag sogar die A8 für Stunden gesperrt war.

Strahlendes Wetter, aber viele leere Ferienhäuser

Dennoch waren Sylt und besonders Kampen in der beliebten Zwischensaison diesmal ungewohnt leer. Von Servicekräften in Restaurants war zu hören, dass auch das Ostergeschäft eher mau war, was sie damit entschuldigten, dass das zweitwichtigste Christenfest 2024 auf Ende März fiel. Na gut, zum Baden in der Nordsee war es bei sieben bis elf Grad noch etwas frisch, aber bis auf einen Tag schien in der Woche die ganze Zeit die Sonne. Und viele der Superreichen, die sich in Kampen oder dem ähnlich schönen Keitum eingekauft haben oder es dort immer wieder hinzieht, schreckt es nicht, wenn es mal etwas regnet oder stürmt. Was aber schon schrecken könnte, sind die auch rundherum zum Teil drastisch gestiegenen Preise für manch vergangenen Glanz. Hier sind es die verrosteten Einkaufswagen, dort eine Edelfischbude, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat.

Sylt lockt trotz mancher Bausünden immer noch

An den eher hässlichen Anblick der Inselhauptstadt Westerland mit seinen an Hamburgs Grindelviertel oder Köln-Chorweiler erinnernden Hochhäusern  haben sich die eingefleischten Sylt-Urlauber längst gewöhnt, werden sie doch an ihrem Ziel in Kampen, Wenningstedt (Strand siehe Titelbild), Keitum, Morsum im Osten, Rantum und Hörnum ganz im Süden mit herrlichen Landschaften und Stränden mehr als „entschädigt“.

List hoch im Norden hat mit zwei neuen großen Hotelanlagen nicht gerade gewonnen, und wenn, dann an Ballermann-Flair. Die Fahrt dahin lohnt aber immer, führt sie doch an einer der größten zusammenhängenden Wanderdünen Europas vorbei. Dieses Sylt-Highlight, Uwe-Düne genannt, wandert so schnell, dass es schon Pläne gibt oder gab, sie zu untertunneln. Auf eigene Faust betreten darf man sie freilich nicht, aber es gibt exklusive Führungen per pedes, limitiert auf 500 Besucher:innen – pro Jahr.

Was diesmal auffiel, waren die große Zahl von meist sehr teuren Elektronautos und die Tatsache, dass kaum noch eines die typische Sylt-Silhouette schmückt. Wer ein Andenken an die größte Nordseeinsel spazieren fahren möchte, begnügt sich heute mit dem Piraten-Logo der Sansibar, auf dem Weg nach Hörnum in einer anderen Dünenlandschaft gelegen.

Von Promi-Treffs und Nobelrestaurants

Dieser Promi-Treff lockt nicht nur mit Strand-Feeling und herrlichem Meerblick, sondern soll auch einen der größten Weinkeller Deutschlands mit vielen erlesenen Tropfen bergen. Dem Besitzer, dem schwäbischen Koch Herbert Seckler, der als damals 22-Jähriger 1974 nach Sylt zog, ist es gelungen, sein Restaurant mit den gekreuzten Schwertern bei DB vorübergehend sogar auf die Schiene und bei Air Berlin in die Lüfte zu tragen. Sein Logo schmückt auch viele Flaschen voller gutem Wein, Olivenöl und Champagner, eine wegen der Verpackung gleich mal 20 Euro teurer als das Original.

Was die Sterneküche auf dem nordfriesischen Inselparadies angeht, hat Johannes King seinen berühmten Söl’ring Hof mittlerweile abgegeben, um sich auf seinen Genuss-Shop zu konzentrieren, womit nach anderen Aufgaben nur noch vier Sterne über Sylt leuchten. Als neuer Geheimtipp bietet sich das Kai 3 im Hörnumer Hotel „Budersand“ an, das zusammen mit dem gleichnamigen Golfplatz die Wella-Erbin Claudia Ebert um 2010 aus dem Boden gestampft hat. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Weg dorthin führt an unansehnlichen Dockanlagen und einer ehemaligen Marineeinheit vorbei. Das Hotel sieht aber sehr einladend aus, so auch das Restaurant, auch wenn es manchen mit seinen hohen Decken etwas nüchtern und für Sterneküche fast zu groß erscheint. Großartig ist der Blick auf die beiden anderen Frieseninseln Amrum und Föhr, die vom Kai 3 zum Greifen nahe scheinen.

Wer nicht beim „Gosch“ essen will, es aber doch etwas bodenständiger und uriger möchte, dem sei das Restaurant und Café Manne Pahl – gerne auch halb französisch ausgesprochen – in Kampen empfohlen. Da kann die gleichnamige Currywurst auch schon mal 19,50 Euro kosten. Allerdings gibt es die meisten Speisen, der vielfach betuchten, älteren Klientel zuliebe, auch als kleine Portion.

 

Quelle Titelbild: Pixabay / Detmold